Sie ist nicht neu, die Entscheidung 3 Ob 45/12 g des Obersten Gerichtshofes (OGH), aber ihr Inhalt verdient eine Erläuterung und darf in keinem Blog fehlen, der sich mit dem Prostitutionsrecht in Österreich befasst.
Die bisherige Judikatur des OGH gesteht einer Prostituierten einen klagbaren Anspruch gegen ihren Kunden zu. Gleichzeitig hat ein Kunde keinen klagbaren Anspruch gegen eine Prostituierte auf Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung. Das Geschäft zwischen Freier und Prostituierter soll also ein einseitig schwebendes sein. Dies ist sachlich mehr als gerechtfertigt, da sich der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung bereits aus Art. 8 EMRK ergibt und die EMRK in Österreich im Verfassungsrang steht. Es kann daher keine vertragliche Verpflichtung zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung geben und eine Prostituierte hat immer die Möglichkeit sich dagegen zu entscheiden oder die Vornahme oder Duldung der selben zu beenden. Andererseits hat eine Prostituierte aber ab Vornahme einer sexuellen Handlung einen einklagbaren Anspruch auf Entgelt. Ohne einen solchen einklagbaren Anspruch würde die Ausbeutung der Prostituierten nur erleichtert. Der klagbare Anspruch besteht auch bei Abbruch der sexuellen Handlung seitens der Sexarbeiterin, sodass der Freier keine Einrede wegen Schlechterfüllung oder Nichterfüllung geltend machen kann. Dieses Ergebnis der OGH-Entscheidung 3 Ob 45/12 g ist sachlich und aus der Sicht des verfassungsrechtlichen Schutzes des Menschenrechts, auf sexuelle Selbstbestimmung, mehr als gerechtfertigt. Auch in der Praxis zeigt sich, dass in den allermeisten Fällen die Prostituierte schutzbedürftiger ist als der Freier.
Weiteres zu dem Thema Prostitution aus der legislativen und exekutiven Ebene: Regelung der Prostitution in Österreich (2021) – Bundeskanzleramt | Prostitution in Österreich (2008) aus Arbeits- und Sozialrechtlicher Sicht